Appell zur Anpassung der Regelsätze an die Lebensrealität
Das Bürgergeld verwirklicht Grundrechte und sichert die Existenz von Menschen, die Hilfe brauchen. Es ist jedoch bereits heute zu niedrig, um Armut effektiv zu bekämpfen.
Die Landesarmutskonferenz Sachsen-Anhalt fordert daher eine grundsätzliche Neuausrichtung der Berechnung der Regelsätze: „Die Ermittlung der Regelsätze muss sich an den tatsächlichen Bedarfen der Menschen orientieren, nicht an fiktiven Rechengrößen“, so Barbara Höckmann, Sprecher*in der Landesarmutskonferenz Sachsen-Anhalt, „wir müssen solidarisch sein mit denjenigen, die in Armut leben oder davon bedroht sind. Nur so können wir ein weiteres Auseinanderdriften unserer Gesellschaft verhindern. Forderungen nach Nullrunden oder gar Abschaffung sind ein Angriff auf die Menschenwürde gemäß Artikel 1 unseres Grundgesetzes.“
Seit der letzten Anpassung des Regelsatzes zum 1. Januar 2024 haben sich die für den Regelsatz maßgeblichen Preise weiter erhöht. Obwohl die allgemeine Inflationsrate zurückgegangen ist, verteuern sich zahlreiche Lebensmittel weiterhin. Diese Entwicklung trifft vor allem Menschen, die vom Existenzminimum leben müssen, tagtäglich hart. Ein gerechter Regelbedarf, der den Kaufkraftverlust ausgleicht, ist dringend notwendig. Ohne eine entsprechende Anpassung wird sich die Armut bei vielen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern weiter verschärfen. Die Folgen: noch weniger Zugang zu gesünderer Ernährung, noch mehr Mangel und noch weniger soziale Teilhabe.
Laut des Paritätischen Gesamtverbandes müsste das Bürgergeld statt der bisher festgelegten 563 Euro mindestens 813 Euro betragen, um tatsächlich vor Armut zu schützen. Die für das Jahr 2025 angekündigte Nullrunde für Bezieher*innen von Bürgergeld ist eine massive Härte für die Leistungsberechtigten. Viele von ihnen sind als aufstockende Beschäftigte, pflegende Angehörige oder Erziehende auf diese Unterstützung angewiesen. Diese Nullrunde wird die bereits prekäre Situation vieler Menschen weiter verschärfen, soziale Ungleichheit verstärken und damit die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft vertiefen. Das schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Landesarmutskonferenz Sachsen-Anhalt fordert eine gerechte Verteilung der Lasten
Es ist ein Skandal, dass in der aktuellen politischen Diskussion die Haushaltsfragen des Bundes auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werden. Nullrunden beim Existenzminimum und bei der Arbeitsförderung treffen die Verletzlichsten in unserer Gesellschaft, während eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen, von Vermögen und große Erbschaften in der öffentlichen Debatte kaum thematisiert wird.
„Es kann nicht sein, dass immer wieder auf Kosten der Ärmsten gespart und Geringverdienende zusätzlich belastet werden, während die Reichsten von steuerlichen Privilegien profitieren. Eine gerechtere Finanzierung des Gemeinwesens ist unerlässlich. Dazu gehört auch, die steuerliche Bevorzugung von großem Einkommen und Vermögen, etwa durch den Verzicht auf eine Vermögenssteuer und eine angemessene Erbschaftssteuer, zu überdenken“ so Antje Ludwig, Geschäftsführerin des Paritätischen Sachsen-Anhalt.
Kai-Gerrit Bädje, Vorsitzender der Tafel Sachsen-Anhalt ergänzt: „Es ist in einem reichen Land wie der Bundesrepublik schon bedenklich, Menschen, die arbeitslos sind, lediglich ein Existenzminimum zu zusprechen, während andere, die nur von Geerbtem leben können, hofiert werden.“
Faktencheck:
Von rund 5,6 Millionen Bürgergeld-Beziehenden sind nur rund 4 Millionen überhaupt erwerbsfähig. Von diesen sind mehr als die Hälfte in ungeförderter Erwerbstätigkeit, in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme, gehen zur Schule, studieren, pflegen Angehörige, erziehen Kinder oder stehen aus anderen, triftigen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.[1]
Veranstaltungshinweis:
Dieses und weitere Themen diskutieren wir am:
Fachtag „Sozialstaat stärken. Armut bekämpfen. Demokratie verteidigen.“
am 23.10.2024 von 10-16 Uhr
im Bildungs- und Freizeitzentrum Wolmirstedt, Triftstraße 6, 39326 Wolmirstedt.
Weitere Informationen zum Fachtag der Landesarmutskonferenz Sachsen-Anhalt und Anmeldung unter: https://eveeno.com/922796850
Weitere Informationen zur LAK unter: www.armutskonferenz.org
[1] BMAS Faktencheck Bürgergeld vom 24.07.2024, https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Grundsicherung-Buergergeld/Buergergeld/Das-Buergergeld-Fakten-im-Detail/das-buergergeld-fakten-im-detail.html#docb264195d-c70e-43aa-b6e2-de17fac0e691bodyText3